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23.05.2013 - Rhön-Bazi trifft BVB-Fan aus Herschfeld
Rhön-Bazi trifft BVB-Fan aus Herschfeld
Ein Gespräch über Fan-Freundschaft, Rivalität und Fanclub-Wechsel
Beim „German Finale“ im Londoner Wembley Stadion am Samstag stehen sie auf gegensätzlichen Seiten, beim Interview in der Bad Neustädter Main-Post einige Tage zuvor sitzen sie an einem Tisch: FC-Bayern Fan Olaf Sippach (45),
Verwaltungsbeamter in der Baurecht- und Denkmalschutzabteilung im Landratsamt sowie Schriftführer des 263 Mitglieder zählenden Fanclubs Rhön Bazis 96 Ostheim und Borussia-Dortmund-Fan Gerhard Zawesky (60), Bankkaufmann bei der Bank Schilling sowie Vorsitzender des 93 Mitglieder zählenden BVB Fanclub Rhön 1986.
Könnt ihr euch in euren Fanschals überhaupt die Hand zur Begrüßung reichen?
Olaf Sippach: Auf jeden Fall!
(Beide springen auf und tun es.)
Gerhard Zawesky: Da haben wir absolut kein Problem mit.
Wie weit geht denn die Rivalität zwischen den Fan-Lagern in der Region?
Sippach: Rivalität mit den Dortmundern gibt's innerhalb Rhön-Grabfelds nicht.
Zawesky: Da mag's ab und zu Sticheleien geben, aber heftige Reibereien würde ich ausschließen. Mein Schwager beispielsweise ist Bayern-Fan. Wir würden definitiv kein Spiel zusammen anschauen, in dem unsere Mannschaften gegeneinander spielen. Das will ich ihm und mir nicht antun.
Und wie weit geht die Freundschaft?
Zawesky: Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass sich die Roten und Gelben zu Verbrüderungsfeiern auf dem Marktplatz treffen. Aber das ist ja auch okay.
Wäre es für euch vorstellbar im selben Flugzeug zum Champions-League-Finale zu reisen?
Zawesky: Ich nehme an, dass die UEFA da schon vorgebaut hat. Wir haben uns im Vorfeld über Reisemöglichkeiten nach London erkundigt. Auf den Fähren wird es beispielsweise so gehandhabt, dass definitiv kein roter und gelber Bus zusammen steht. So eine Trennung ist wahrscheinlich auch besser.
Sippach: Für mich wäre es überhaupt kein Problem mit einem Schwarz-Gelben im Flugzeug zu sitzen. Man bekommt aber keinen Flieger mehr. Ausschreitungen gibt es meistens nach Busfahrten, wenn zu viel Alkohol im Spiel war. Deshalb fahren die Rhön-Bazis 96 mit einem Kleinbus nach London.
Warum sollte ich als Fußballmuffel das Champions-League-Finale schauen?
Sippach: Meine Lebensgefährtin ist auch kein Fußballfan. Naja, innerlich ist sie schon Bayern-Fan, weil ich's bin, klar! Jedenfalls war sie letztes Jahr beim Endspiel in München in einer Wirtschaft und sie sagt, allein das Außenrum, die Stimmung ist gut. Auch wenn man nicht weiß, was Abseits ist.
Zawesky: Das Champions-League-Finale ist in jeder Saison die absolute Krönung. Wer es so weit geschafft hat wie diese zwei Mannschaften, hat es verdient, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkt. Gerade weil es zwei deutsche Mannschaften sind, werden an diesem Samstagabend die Straßen leer sein. Da kann man sowieso nichts anderes machen.
Was bedeutet Euch das Spiel?
Sippach: Die deutsche Meisterschaft ist viel Wert, aber die Champions-League ist das I-Tüpfelchen oben drauf. Wenn die Bayern mit der Bombensaison, die sie gespielt haben, gegen Dortmund verlieren würden, wäre alles irgendwie nicht mehr so schön. Ich war dreimal live bei Champions-League-Endspielen der Bayern dabei, habe aber dummerweise immer Niederlagen gesehen. Ich will als Fan unbedingt mal diesen Henkelpott mitgewinnen.
Zawesky: In Dortmund versteht man es, das Ganze runterzureden. Wir hatten auch eine schöne Saison. Unsere Ziele haben wir eigentlich erreicht. Wenn noch was dazu käme, wäre es das berühmte Sahnehäubchen oben drauf.
Wie werdet ihr den Abend verbringen?
Sippach: Ich werde in London live dabei sein. Am Samstag möchte ich mich aufs Spiel konzentrieren. Auf jeden Fall werde ich nicht angestochen ins Stadion gehen. Das Spiel werde ich genießen, natürlich noch mehr, wenn Bayern gewinnt und dann mit Gleichgesinnten feiern.
Zawesky: Mir geht's im Prinzip genauso, nur mit dem kleinen Unterschied, dass ich nicht in London im Stadion sitze. Dieses Privileg überlasse ich 13 anderen aus unserem Fanclub. Ich werde das Spiel hier im Fanclub-Kreis anschauen, wir planen ein kleines internes Public Viewing.
Wie seid ihr an Karten gekommen?
Sippach: Ich bestelle schon seit Jahren für den Fanclub Karten bei Bayern München. Diesmal ist unser Fanclub bei der Verlosung leider leer ausgegangen, auch privat als Mitglieder beim FC Bayern haben die meisten eine Absage bekommen. Immerhin, sieben Mann hatten Glück. Ein guter Bekannter, der mit seiner Dauerkarte im Stadion neben mir sitzt, hat auch zwei Tickets bekommen. Er nimmt mich mit.
Zawesky: Mit den 13 Karten, die unser Fanclub bekommen hat, liegen wir weit über dem Schnitt. Das mag daran liegen, dass wir einer der älteren Fanclubs sind und ich seit Anfang der 80er Jahre auch persönlich gute Kontakte nach Dortmund habe. Eine fast ebenso große Hürde wie das Kartenkriegen ist es, die zugesprochenen Karten zu verteilen. Manche machst du glücklich, aber genauso viele sind todtraurig, stinkig auf den Vorstand und enttäuscht, weil sie keine Karte kriegen.
Mario Götze ist ja schon abgeworben. Jetzt seid ihr dran. Zwei Minuten für jeden von euch. Überzeugt den jeweils anderen den Fanclub zu wechseln!
Zawesky: Machen wir's kurz. Ich hab in den letzten Minuten festgestellt, dass der Olaf mit Leib und Seele ein Roter ist. Ich werde einen Teufel tun, zu versuchen, ihn von seiner Überzeugung abzubringen.
Sippach: Würdest Du auch nicht schaffen!
Zawesky: Genauso würde ich keinem raten, mich abwerben zu wollen. Da läuft nichts! Da gibt's ein Liedchen von einem Dortmunder Urgestein, der singt sinngemäß: „Ich bin schon schwarzgelb gewesen, da konnte ich noch gar nicht lesen und wenn ich in die Kiste spring, liegt da ein Schwarzgelber drin.“
Sippach: Zur Bekräftigung nehme ich den Beckenbauer her: „Gute Freunde kann niemand trennen.“ Was die Spieler angeht, habe ich eine andere Meinung. Wenn der wohl beste Trainer der Welt einen jungen und talentierten Spieler wie Götze will, würde ich wohl auch nicht zögern, den Verein zu wechseln.
Gut, dann mal andersherum gefragt: Lieber Bayern-Fan, was ist das Gute an Borussia Dortmund? Lieber Dortmund-Fan, was ist das Gute am BVB?
Sippach: Das Gute an den Dortmundern ist erstens das Stadion und zweitens der Trainer.
Zawesky: Am FC Bayern gefällt mir, dass man seit Jahrzehnten verstanden hat, wirtschaftlich verflucht gut zu arbeiten. Da kann man zu Herrn Hoeneß stehen, wie man will. Er hat diesen seinen Job verdammt gut gemacht.
Kann der BVB-Präsident auch über eine Steueraffäre stolpern?
Zawesky: BVB-Präsident Dr. Rauball, der mittlerweile zum dritten Mal Präsident wurde, weil er den Verein auch ein paar Mal aus dem finanziellen Sumpf hochgehoben hat, ist in meinen Augen über jeden Zweifel erhaben. Ich kann mir nicht vorstellen – wobei das konnte man sich bei Uli Hoeneß ja auch nicht – dass er in diese Richtung irgendwelche Sachen laufen hat.
Sippach: Man muss unterscheiden zwischen dem Menschen Uli Hoeneß und dem Zocker. Für den Menschen tut mir das alles wahnsinnig leid. So oder so: Wer Mist baut, gehört bestraft.
Warum gewinnt Eure Mannschaft?
Sippach: Der FC Bayern gewinnt, weil sie besser sind, sie haben die individuelleren Spieler, einen größeren und besseren Kader als der BVB und Bayern gewinnt, weil sie mehr Tore schießen.
Zawesky: Das lass ich persönlich jetzt einfach mal so stehen. Ich tippe auf ein verwegenes 2:1 nach Verlängerung. Weil mich das an den Tag erinnert, an dem ich BVB-Fan wurde, an den 5. Mai 1966.
Sippach: Ich halte dagegen. Klares 3:0 für Bayern München.
Zawesky: Freuen wir uns, dass zwei Deutsche in London stehen. Das stinkt den Engländern sowieso am allermeisten.
(Quelle: www.mainpost.de / Das Gespräch führte Ines Renninger - Bildquelle: www.mainpost.de / Sonja Dümmler)